Die St. Galler Umweltverbände und der Heimatschutz sind enttäuscht über den Verlauf der Debatte im Kantonsrat über die FDP-Motion zur Abschaffung des kantonalen Verbandsbeschwerderechts.
Mitte November haben die Verbände alle Kantonsrätinnen und Kantonsräte zu einer Orientierungsveranstaltung eingeladen und sich der Diskussion gestellt. An Beispielen aus der Praxis des Heimatschutzes sowie des lokal tätigen Naturschutzvereins der Stadt St. Gallen wurde aufgezeigt, welche wichtige Rolle das kantonale Verbandsbeschwerderecht bei der Durchsetzung der einschlägigen Bestimmungen spielt. Auch die oft kolportierte Behauptung von Prof. Franz Jaeger wurde klar widerlegt, nach der in der Schweiz derzeit 20 bis 25 Milliarden Franken aufgrund von Rechtsmittelverfahren blockiert seien. Laut Bundesamt für Statistik gab es im Jahr 2003 Bauvorhaben im Umfang von 45.3 Milliarden Franken. Davon nicht realisiert wurden lediglich 1.6 Prozent. Und auch bei diesem geringen Anteil spielte das Verbandsbeschwerderecht nur eine sehr untergeordnete Rolle (vgl. Grafik). Leider haben nur wenige Volksvertreterinnen und –Vertreter das Angebot der Verbände wahrgenommen, sich aus erster Hand zu informieren. Und auch offene Fragen und Kritik direkt anzubringen. Die Abschaffung des kantonalen Verbandsbeschwerderechts würde dazu führen, dass sich der Heimatschutz rechtlich nicht mehr für Häuser und Ortsbilder von kantonaler oder lokaler Bedeutung innerhalb von Bauzonen einsetzen könnte. Die Erhaltung schöner Landschaften wäre gefährdet, ebenso die Natur im Siedlungsraum. Den VCS und damit den eigentlichen Adressaten der FDP-Motion wird die Abschaffung des kantonalen Verbandsbeschwerderechts hingegen nicht treffen.
Das Verbandsbeschwerderecht sowohl auf kantonaler als auch nationaler Ebene ermöglicht den Verbänden, als Anwalt von Umwelt- und Heimatschutz geltendes Recht durchzusetzen. Spielraum für Willkür und Missbrauch besteht nicht. Ohne die Klage eines Verbandes wird aber kein Richter mehr umstrittene Bauvorhaben auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen können. Dies ermöglicht Bauherren und Bewilligungsbehörden, sich über bestehendes Recht hinwegzusetzen.
Die St. Galler Umweltverbände und der Heimatschutz erwarten von der Regierung, dass sie gemäss ihrer im Rat abgegebenen Zusicherung die verabschiedete Motion sorgfältig prüft. Als Grundlage müssen dabei Fakten, und nicht verantwortungslos in die Welt gesetzte Zahlen dienen.
Oder aber Regierung und Parlament stehen offen dazu, dass es ihnen bei der Debatte um das Verbandsbeschwerderecht um die Aushöhlung des Umwelt- und Heimatschutzes geht.
Die Verbände erwarten von der Regierung:
Der Chef des Amtes für Raumplanung, Pierre Alain Rumley, heisst öffentlich Rechtsverstösse gut. Jetzt fordert Pro Natura seinen Rücktritt.
Das Bundesamt für Raumentwicklung ist nicht mehr glaubwürdig. In Galmiz FR soll mitten in der Landwirtschaftszone ein 50 ha grosses Fabrikgelände zu stehen kommen. Grund dafür sind eine (immer noch geheim gehaltene) amerikanische Firma, die 1200 Arbeitsplätze verspricht und eine Kantonsregierung, die diese Firma auf Biegen und Brechen ansiedeln möchte. Die geplante Einzonung verstösst gegen die wichtigsten Grundsätze und Ziele der schweizerischen Raumplanung. Sie ist rechtswidrig. Trotzdem wurde sie von Pierre-Alain Rumley, dem Direktor des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE), öffentlich gutgeheissen. Rumley übergeht damit alle Mitwirkungsrechte der Bevölkerung, stellt die Trennung zwischen Landwirtschafts- und Industriezone in Frage und tritt das Raumplanungsgesetz mit Füssen. Ein Raumplanungschef, der sich um die Gesetze und Ziele der eigenen Behörde foutiert, ist nicht mehr tragbar und muss ersetzt werden. Der interkantonale Standortwettbewerb birgt das Risiko von Ökodumping in sich. Eine glaubwürdige Kontrollbehörde ist nicht nur zum Schutz der Umwelt sondern auch zur Sicherstellung klarer Wettbewerbsbedingungen unerlässlich. Der Fall Galmiz zeigt im Grossen, was die Verbände im Kleinen immer wieder erleben: Die Behörden lassen Überschreitungen der Umweltschutzgesetze zu, wenn der (vermeintliche) Profit winkt. Damit lenken sie den Zorn der Investoren und der betroffenen Bevölkerung geschickt auf die Umweltverbände. Denn diesen wird es überlassen, mit Einsprachen und Beschwerden für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen. In der Schweiz gibt es 1700 ha Industriebrachen. Die Umweltverbände sind überzeugt, dass es geeignetere Standorte für diese Firma gibt. (2050 Zeichen) Für weitere Auskünfte steht Ihnen Beat Jans, Pro Natura, Tel. 061 317 92 22, Mobile 076 346 86 43, beat.jans@pronatura.ch gerne zur Verfügung.
Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.