Verbandsbeschwerderecht: Bundesrat will schnellere Verfahren und mehr Transparenz

 

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass der Vollzug des Verbandsbeschwerderechts gezielt verbessert wird. Wie er bei der Beantwortung von Vorstössen aus dem Parlament festhält, sind Korrekturen möglich bei der Verfahrensdauer, der Prüfung der Umweltverträglichkeit sowie bei der Transparenz bezüglich verbandsinterner Verfahren und Vereinbarungen zwischen Bauherrschaft und Beschwerdeführenden. Er weist zudem darauf hin, dass Vorschriften zur Verfahrensbeschleunigung vorab im Kompetenzbereich der Kantone liegen.

Der Bundesrat hat am Freitag zu zahlreichen parlamentarischen Vorstössen zum Verbandsbeschwerderecht Stellung genommen. Ein Verzicht auf dieses Instrument kommt für ihn nicht in Frage. Es wurde seinerzeit im Natur- und Heimatschutzgesetz sowie im Umweltschutzgesetz verankert, um die Durchsetzung des Umweltrechts zu gewährleisten: Die Interessen der betroffenen natürlichen und juristischen Personen sind in der Regel nicht identisch mit den Zielen des Umweltschutzgesetzes. Das Verbandsbeschwerderecht stellt sicher, dass Volks- oder Behördenentscheide über umweltbelastende Anlagen durch die zuständigen Rechtsmittelinstanzen unabhängig überprüft werden und ein Ausgleich stattfindet.
Das Instrument hat sich in langjähriger Praxis bewährt. Würde das Verbandsbeschwerderecht aufgehoben, müssten andere Instrumente eingeführt werden, die den korrekten Vollzug des Umweltrechts sicherstellen. Es gibt indessen Mängel und mutmassliche Missbräuche – etwa im Bereich der finanziellen Vereinbarungen zwischen Beschwerdeführenden und Bauherrschaft –, die entschieden zu bekämpfen sind.
Der Bundesrat sieht zusätzlich zu den bereits ergriffenen Massnahmen (siehe Kasten 1) weitere Verbesserungsmöglichkeiten. Diese betreffen eine Vereinfachung der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Verhinderung von Missbräuchen durch eine Präzisierung des Verbandsbeschwerderechts. Dies deckt sich mit der Stossrichtung, welche die Rechtskommission des Ständerates am 23. August 2003 skizziert hat, anlässlich der Behandlung der parlamentarischen Initiative Hofmann.

  • Verkürzung der Verfahrensdauer
    Neu eingeführt werden soll eine spezifische Regelung für die aufschiebende Wirkung von Verbandsbeschwerden. Insbesondere soll ein vorzeitiger Baubeginn bei Anlageteilen möglich sein, deren Ausführung vom Ausgang des Verfahrens nicht beeinflusst wird. Zudem sollen Rügen, die zu einem früheren Zeitpunkt des Verfahrens hätten eingebracht werden können, in späteren Verfahrensschritten nicht mehr zulässig sein.
  • Vereinfachung der Umweltverträglichkeitsprüfung
    Es sollen jene Massnahmen weiterverfolgt werden, die der Bundesrat bei der Beantwortung des Postulats der Rechtskommission des Nationalrats (01.3266 Evaluation UVP) vom 11. Februar 2004 aufgelistet hatte. Insbesondere sollen die Anlageliste gemäss Anhang der UVP-Verordnung aktualisiert und die UVP-Berichterstattung vereinfacht werden.
    Weiter sollen Umweltanliegen nicht erst auf Projektstufe, sondern idealerweise schon auf der Stufe der Raumplanung berücksichtigt werden.
  • Offenlegung der Beschwerdetätigkeit der Organisationen
    Die Organisationen sollen die Öffentlichkeit mit einem jährlichen Bericht über ihre Einsprache- und Beschwerdetätigkeit informieren. Es erscheint zudem als verhältnismässig, die Organisationen zu einer Veröffentlichung ihrer Erfolgsrechnung zu verpflichten, soweit ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Verbandsbeschwerderecht betroffen ist.
  • Schaffung rechtlicher Vorgaben über den zulässigen Inhalt von Vereinbarungen zwischen Bauherrschaft und Organisationen
    Im Bundesrecht soll geregelt werden, welche Vereinbarungen – insbesondere finanzieller Art – zwischen Bauherrschaft und Organisationen zulässig sind.
    Langwierige Auseinandersetzungen um Grossprojekte werden oft zu Unrecht der Verbandsbeschwerde angelastet. Die weitaus grösste Zahl von Einsprache- und Beschwerdeverfahren werden von Privaten geführt. Das Verbandsbeschwerderecht führt gerade bei Grossprojekten in dicht bevölkerten und intensiv genutzten Regionen auch dazu, dass Private auf ihre Einspracherechte verzichten, wenn sich eine Organisation am Verfahren beteiligt. Was die Verfahrensdauer angeht, weist der Bundesrat darauf hin, dass ein Grossteil der vom Verbandsbeschwerderecht betroffenen Projekte in kantonaler Kompetenz liegt. Es ist damit auch Sache der Kantone, entsprechende Vorschriften zu erlassen.

    Bern, 1. Oktober 2004
    UVEK Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie, Kommunikation Presse- und Informationsdienst

    Auskünfte:
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    Christoph Zäch, Chef Abteilung Recht BUWAL, 031 322 93 54
 

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