Kulturgüter und Naturwerte zu Recht verteidigt

 

Im 40. Jahrgang des Verbandsbeschwerderechts präsentieren 16 Umweltorganisationen gemeinsam eine hohe Gutheissungsquote vor Behörden und Gerichten. In 78 % von total 244 im Jahr 2005 abgeschlossenen Verfahren mussten Korrekturen zu Gunsten der Natur vorgenommen werden. Vor Bundesgericht gelangten lediglich fünf Fälle – vier davon entschied das oberste Gericht auf der ganzen Linie im Sinne der Natur. Diese Zahlen bestätigen einmal mehr den zurückhaltenden Gebrauch des Verbandsbeschwerderechts sowie dessen Notwendigkeit.

Das einzigartige Innere des ehemaligen Kaufhauses Füglistaller in Basel bleibt als Kulturgut erhalten. Eine Motocrosspiste führt nicht durch ein Naturschutzgebiet. Verkehrsintensive Einrichtungen wie Einkaufszentren müssen vom Kanton mit Massnahmen zur Gewährleistung der Luftqualität begleitet werden. – Dies drei exemplarische Entscheide des Bundesgerichts aufgrund von Interventionen der beschwerdeberechtigten Umweltorganisationen. Gemäss Beat Jans, Leiter Politik und Internationales bei Pro Natura sind bei all diesen Fällen nicht die Umweltorganisationen die Gewinner. „Die Menschen gewinnen, weil sie auf eine intakte Umwelt angewiesen sind. Und der Rechtsstaat gewinnt, weil gesetzeswidrige Zustände verhindert werden.“ Zahlen belegen Zurückhaltung und Effizienz. Die Schweizer Behörden haben jährlich rund 100’000 Baubewilligungen zu erteilen und dabei Millionen von Detailentscheiden zu fällen. Investoren verlangen oft eine zuvorkommende Behandlung. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass bei einigen Bauvorhaben die Einhaltung der Natur- und Umweltgesetzgebung unter Druck gerät. Das Verbandsbeschwerderecht hat hier seit 40 Jahren seinen Stellenwert. Der Schweizer Alpen-Club (SAC) ist seit 1966 vom Bund als beschwerdeberechtigte Organisation anerkannt. Jürg Meyer, Umweltbeauftragter beim SAC betont: „Für den SAC ist das Verbandsbeschwerderecht ein wichtiges Instrument der effizienten Umweltpolitik.“ Diese Effizienz konnte auch 2005 mit Zahlen und Fakten eindrücklich belegt werden. In nur 18 % aller 244 abgeschlossenen Verfahren unterlagen die Umweltorganisationen. Rund 60 % aller Fälle wurden rasch und unbürokratisch auf Stufe Gemeinde erledigt. Nur 2 % der Fälle gelangten vor Bundesgericht. 84 % der Verfahren wurden ohne Inanspruchnahme der Gerichte abgeschlossen – in der überwiegenden Mehrzahl zu Gunsten von Kultur- und Naturwerten der Schweiz. Die Zahlen der von 16 Umweltorganisationen gemeinsam erstellten Statistik wird von Dritten mehr als bestätigt. So teilte der Regierungsrat des Kantons Basellandschaft im Februar 2005 mit, dass im Jahr 2004 in seinem Kanton nur 1 % der Einsprachen im Zusammenhang mit Baugesuchen von Umweltorganisationen stamme. Die hohe Gutheissungsquote vor Bundesgericht bestätigte die Universität Genf in einer im Jahr 2004 veröffentlichten Studie. Nimmt Politik Fakten zur Kenntnis? Seit 2002 sind im eidgenössischen Parlament nicht weniger als 25 Vorstösse mit Bezug zum Verbandsbeschwerderecht eingereicht worden. Meist geht es bei diesen Vorstössen um die Schwächung oder Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts. Die absurde Flut von Vorstössen hatte zur Folge, dass sich der Bundesrat seit 2002 an neun verschieden Terminen zu bisher 18 Vorstössen zu äussern hatte. Zusätzlich sammelte die FDP-Zürich mit zum Teil erfundenen Fällen Unterschriften zur faktischen Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts. Beat Jans, Pro Natura in diesem Zusammenhang: „Es wird Zeit, dass auch die Politikerinnen und Politiker die Fakten zur Kenntnis nehmen und die zahllosen Vorstösse zur Schwächung des Verbandsbeschwerderechts diskret und sachlich entsorgen.“ Weitere Auskünfte: Raimund Rodewald, Stiftung für Landschaftsschutz, 031 312 20 01; Philipp Maurer, Heimatschutz, 044 254 57 00; David Häne, WWF, 01 297 22 41; Beat Jans, Pro Natura, 061 317 92 22; Adrian Schmid, VCS, 076 342 39 51; François Turrian, ASPO/BirdLife-Suisse, 079 318 77 75, Christof Dietler, Koordination Verbandsbeschwerderecht, 081 257 12 21

PS: Die überaus zahlreichen Vorstösse, welche das Verbandsbeschwerderecht zu Fall bringen wollen, lenken das Parlament leider von den wirklichen Problemen ab. Am 18. Mai 2006 möchten die Umweltorganisationen mit einer Medienkonferenz auf offene Baustellen im Umweltrecht aufmerksam machen.

 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.