Eine Initiative gegen die Natur

 

Heute 11. Mai 2006 reicht der Zürcher Freisinn in Bern seine Volksinitiative ein. 16 Umweltorganisationen von A wie Alpenclub bis W wie WWF Schweiz halten den unausgegorenen Initiativtext für einen Schlag gegen die Natur und für reine Zwängerei. Ein Vorschlag zur Revision der Gesetzesgrundlagen des Beschwerderechts liegt auf dem Tisch. Die Initiative ist unehrlich: Sie gibt vor, das Beschwerderecht nur einschränken zu wollen, setzt es aber faktisch ausser Kraft. Ausserdem zielt sie auf Umweltorganisationen und das Beschwerderecht, trifft jedoch letztlich die Lebensqualität der Menschen, unsere Kulturwerte und die Natur

Der Zürcher Freisinn wollte im Herbst 2004 mit der Initiative noch rasch auf das Thema Hardturm-Stadion aufspringen. Die Schweizer FDP mochte erst nach längerem Hin und Her am 19. August 2005 ihre Unterstützung zusichern. Die Suche nach Unterschriften gestaltete sich schwierig, der Einsatz von mindestens 1,2 Mio. Franken wurde notwendig. Für seriöse Recherchen fehlte dem Initiativ-Komitee ganz offensichtlich die Zeit. In Werbeunterlagen wurden Einsprachen „erfunden“. Absurde Bezüge zwischen der Tätigkeit der Naturschutzorganisationen und 100000 arbeitslosen Menschen hinterliessen genauso Konsternation wie der Versuch, offenbar nichts ahnende Fussballer des FC Thun gegen die Umweltorganisationen anrennen zu lassen. Der Zürcher Freisinn hat die Abstimmungskampagne schon während der Unterschriftensammlung begonnen und dabei einen Stil gewählt, den man bisher nicht mit der FDP in Verbindung brachte. Unehrlich und fatal für den Rechtsstaat Die unpräzise Formulierung des Initiativtextes hat zur Folge, dass das Verbandsbeschwerderecht weitgehend abgeschafft würde. Diese Einschätzung teilt auch der Staatsrechtsprofessor Georg Müller, Universität Zürich. Wenn der Zürcher Freisinn die Abschaffung will, dann soll er dies auch so formulieren. Die Initiative ist rechtsstaatlich bedenklich, weil sie die in demokratischen Verfahren verabschiedeten Natur- und Umweltschutzgesetze mit keinem Wort erwähnt. Wenn sich eine kleine Minderheit mittels einer Gemeindeversammlung über die für alle Schweizerinnen und Schweizer geltenden Gesetze hinwegsetzen könnte, so wäre das in höchstem Mass undemokratisch. Genau dies ist die Absicht der Initiative. Die Verabsolutierung von Entscheiden von Gemeindeversammlungen oder Parlamenten passt zu keinem Rechtsstaat. Initiative ist Zwängerei Das Verbandsbeschwerderecht ist mittels der parlamentarischen Initiative Hofmann (SVP, Zürich) in Parlament und Öffentlichkeit hinlänglich diskutiert worden. Eine entscheidungsreife Gesetzesrevision liegt vor. Der Ständerat hat den Wortlaut der unnötigen Initiative des Zürcher Freisinns nicht aufgenom-men. Die Rechtskommission des Nationalrats hat selbst die kleinste Anlehnung an die populistische Stossrichtung ersatzlos gestrichen. Diese Initiative ist eine Zwängerei auf Kosten unserer Natur. Angesichts der anhaltenden Zersiedelung, dem zu erwartenden Boom beim Zweitwohnungsbau etc. setzt die Initiative zudem die falschen Signale. Wer gegen die Initiative des Zürcher Freisinns antritt, betreibt keine Parteipolitik, ist nicht gegen die FDP und schon gar nicht gegen die Wirtschaft oder gegen Wachstum. Im Gegenteil: Wer Nein sagt zur Initiative, will eine lebenswerte Schweiz, will attraktive Landschaften. Wer Nein sagt zur Initiative, sagt Nein zum Populismus gegen die Natur und wehrt sich gleichzeitig gegen den Angriff auf rechtsstaatliche Prinzipien. PS: Im Zusammenhang mit der Unterschriftensammlung hat der Zürcher Freisinn ganz offensichtlich wenig Zeit für Recherchen aufwenden können. Die Umweltorganisationen weisen die zum Teil sehr weitgehenden und unwahren Vorwürfe zurück. Sie tun dies jedoch mit einer gewissen Gelassenheit, da ausserhalb der Initianten die Sachlichkeit längst wieder Einzug gehalten hat. So lehnt der Zürcher Regierungsrat in einer im Kantonsamtsblatt vom 5. Mai 2006 veröffentlichten Stellungnahme die Stossrichtung der Initiative des Zürcher Freisinns mit deutlichen Worten ab. Argumentarium zur Initiative unter siehe: www.verbandsbeschwerde.ch; Rubrik Unterlagen Vertreter/innen der Umweltorganisationen werden anlässlich der Einreichung der Initiative am 11. Mai in Bern präsent sein. Für weitere Auskünfte: Raimund Rodewald, Stiftung für Landschaftsschutz, 079 406 40 47; Philipp Maurer, Heimatschutz, 044 254 57 00; Carsten Schmidt, WWF, 076 393 30 60; Beat Jans, Pro Natura, 076 346 86 43; Adrian Schmid, VCS, 076 342 39 51; François Turrian, ASPO/BirdLife-Suisse, 079 318 77 75; Christof Dietler, Koordination Verbandsbeschwerderecht, 079 777 78 37.

 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.