Stadion St. Gallen: Verbindliche Vorschriften statt Absichtserklärungen

 

Der VCS hat in den letzten Tagen eine Vereinbarung zum Projekt Stadion-/Einkaufszentrum St. Gallen West unterzeichnet. Er zieht damit seinen Rekurs gegen den stadträtlichen Entscheid zum Überbauungsplan zurück. Im Verlauf des Verfahrens konnten zahlreiche Verbesserungen erreicht werden, vor allem in den Bereichen Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr, Verkehrsbegrenzung und Schutzmassnahmen für das Quartier. Der Überbauungsplan stellt nun sicher, dass diese Massnahmen wirklich umgesetzt und die anvisierten Verkehrszahlen eingehalten werden.

Der VCS hat diese Woche den Vergleich mit der Stadion AG, dem Kanton und der Stadt St.Gallen un-terschrieben. Wie bereits mit der Rekurseingabe angekündigt, ging es dem VCS nicht um eine grundsätzliche Opposition gegen das Stadionprojekt in St.Gallen-Winkeln. Vielmehr akzeptiert der Verband den positiven Volksentscheid für die Umzonung und den breiten Wunsch in der Bevölkerung nach einem neuen Fussballstadion.
Schon bei der ersten Einsprachen, und auch wieder im Rekursverfahren, ging es dem VCS darum, den durch das Stadion und das Einkaufszentrum entstehenden Verkehr in Grenzen zu halten. Dazu konnten nun konstruktive Lösungen gefunden werden – Lösungen, die im ersten Einspracheverfahren noch nicht möglich waren.
Zwar gaben die Stadion-Initianten sowie Stadt- und Kantonsbehörden zu verschiedenen (aber keineswegs zu allen für den VCS wichtigen) Punkten Absichtserklärungen ab. Verbindliche Regelungen bestanden bisher aber nicht. Dem VCS ist es aber aus verfahrenstechnischen Gründen und aufgrund einschlägiger früherer Erfahrungen wichtig, dass konkrete und überprüfbare Regelungen vereinbart werden. Dabei geht der VCS mit dem Beschwerderecht sehr sorgfältig um. Zur Erinnerung: nur 5 Prozent aller Fälle, die bis vor Bundesgericht gelangen werden von Umweltverbänden eingeleitet, doch von diesen gewinnen die Verbände die grosse Mehrheit. Der VCS setzt sich dabei immer für das geltende Recht ein – auch im Falle der Umweltbestimmungen rund um das St.Galler Stadion mit seinem Einkaufszentrum. Der VCS versteht sich als harter, aber auch als fairer Gesprächspartner. Wir akzeptieren allerdings keine leeren Versprechen sondern nur rechtlich verbindliche Regelungen. Eine solche konnte fürs St.Galler Stadion nun erzielt werden.
Vorbehalte bleiben.
Der VCS sagt deshalb heute ja zu einem Vergleich, auch wenn weiterhin grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Projekt bestehen: - Die periphere Lage ist ungünstig. Das Stadion wird einzig deshalb in St.Gallen-Winkeln gebaut, weil Stadt und Kanton hier Bodenreserven hatten. Mit der nun unterzeichneten Vereinbarung können immerhin die sich ergebenden Verkehrs- und Umweltprobleme begrenzt, wenn auch nicht gelöst werden. - Die Grösse des Projektes wird stark spürbare, negative Auswirkungen auf das innerstädtische Gewerbe in St.Gallen, Gossau und Herisau haben. Trotzdem befürworten alle massgebenden Wirtschaftskreise das Projekt. Das mit dem Stadion entstehenden Einkaufs- und Vergnügungszentrum mit der doppelten Grösse des «Rheinpark», St. Margreten, resp. der 6-fachen Grösse des bestehenden «Westcenter» in Winkeln, wird die Einkaufsgewohnheiten und die Siedlungsstrukturen verändern. Der VCS sieht dieser Entwicklung mit grossem Unbehagen entgegen und er befürchtet durch die Verlagerung von Detailhandelsumsätzen negative Auswirkungen auf die Versorgung in der weiteren Umgebung. - Es bestehen immer noch erhebliche Unsicherheiten bei der Restfinanzierung des Stadions. Immerhin verlangt nun die Vereinbarung, dass – unabhängig von der Finanzierung des Projekts – die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr und die Schutzmassnahmen für Winkeln realisiert werden müssen.
Der VCS konnte mit den beschränkten Mitteln des Verbandbeschwerderechtes lediglich die Auswirkungen auf die Umwelt reduzieren. Den grundsätzlich falschen Standortentscheid und Versäumnisse der Regionalplanung kann der Verband nicht korrigieren. Hier hätten die vom Projekt betroffenen, umliegenden Gemeinden und das St. Galler Gewerbe eingreifen können Dass sie das nicht getan haben wertet der VCS als ein ja zu einer Entwicklung, welche die Innenstadt gegenüber der "grünen Wiese" benachteiligt und welche das lokale Gewerbe bezahlen wird. Offen bleiben die grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit dem kantonalen Richtplan und Art.69bis des Baugesetzes (*Wortlaut am Schluss). Dieser Artikel regelt, unter welchen Bedingungen «Bauten und Anlagen von überörtlicher Bedeutung» bewilligt werden dürfen. Eine Einigung in diesem Punkt war auch in den letzten Verhandlungen nicht möglich. Eine Klärung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen beim Stadion erfüllt sind, hätte nur mit einem Verfahren durch die Instanzen erfolgen können. Dies hätte das Projekt aber nur schon aus zeitlichen Gründen verunmöglicht.
Die wichtigsten Verbesserungen im Detail:
Verkaufsfläche
Die Nettoverkaufsfläche des Einkaufszentrums ist jetzt in den Plänen markiert. Unklarheiten sind bereinigt. Die Verkaufsflächen im Aussenbereich und in der Mall werden begrenzt. Schlupflöcher für mögliche Ausweitungen der Verkaufsfläche sind gestopft.
Verkehrszahlen.
Der durch das Einkaufszentrum generierte Verkehr wird laufend überwacht. Bei Überschreitungen der zulässigen Fahrten werden Massnahmen ergriffen, die bereits jetzt definiert sind.
Massnahmen werden ebenfalls eingeleitet, wenn der Modal-Split (die Aufteilung der Besucher- und Kundenströme auf den öffentlichen und den Individualverkehr) nicht erreicht wird oder wenn der öffentlichen Verkehr durch Stau behindert wird.
Die Massnahmen sind für leichte und für gravierenden Abweichungen definiert: Sie beginnen mit In-formationen der Öffentlichkeit und Werbemassnahmen für den öffentlichen Verkehr. Bei gravierenden Abweichungen müssen zwingend die Parkgebühren erhöht werden und zwar so weit, bis die Zielwerte erreicht sind. Es gibt keine Obergrenze für die Parkplatzgebühren. Dazu werden verstärkte Verkehrskontrollen und ein Ausbau der Schutzmassnahmen für Winkeln vereinbart.

Parkierung.
Die Parkplätze werden ab der ersten Minute bewirtschaftet. Die Parkgebühren dürfen von den Geschäften nicht zurückerstattet werden. Die Parkgebühr bleibt zwar vorerst bei einem Franken pro angefangener Stunde. Die oben erwähnten Erhöhungen zur Verkehrssteuerung und Emissionsbegrenzung sind aber festgeschrieben.
Bestehende Parkplätze im weiteren Umfeld des Einkaufszentrums werden ebenfalls bewirtschaftet, unter anderem im Zentrum von Winkeln, in den umliegenden Industriegebieten und im Gründenmoos. Gegen Missbrauch und wildes Parkieren werden verschiedene Detailmassnahmen umgesetzt. Flankierende Massnahmen Die im verkehrstechnischen Bericht genannten flankierenden Massnahmen sind in der Vereinbarung im Detail festgelegt. Die wichtigsten Massnahmen müssen spätestens bei Baubeginn des Stadions, resp. des Einkaufszentrums umgesetzt sein: - Sperren an der Einmündung Kräzernstrasse / Zürcher Strasse und an der Herisauer Strasse, nördlich der Einmündung Bildweiherstrasse. - Erweiterte Blaue Zone mit Anwohnerbevorzugung (Montag bis und mit Samstag) im Wohngebiet Russen / Sturzenegg. - Parkuhren mit Gebührenpflicht in den Industriegebieten Geissberg, Breitfeldstrasse, Mövenstrasse, Herisauer Strasse Nord, südlich der Einmündung Bildweiherstrasse, Industriestrasse sowie in einigen Gebieten im Zentrum von Winkeln
Angebot des öffentlichen Verkehrs. Das minimale Angebot für den öffentlichen Verkehr ist im Überbauungsplan festgelegt: Richtung St.Gallen:

  • Linie A (Gossau-Stadion-St.Gallen HB) im 20-Minutentakt
  • Linie B (Stadion-St.Gallen-HB) im 20-Minutentakt
  • VBSG-Linie 1 (St.Gallen-Westcenter-Winkeln) im 12-Minutentakt Richtung Gossau:
  • Linie A (Gossau-Stadion-St.Gallen HB) im 20-Minutentakt
  • Linie C (Gossau-Stadion-Abtwil) im 30-Minutentakt Richtung Abtwil:
  • Linie C (Gossau-Stadion-Abtwil) im 30-Minutentakt
  • Linie D (Herisau-Stadion-Abtwil) im 30-Minutentakt Richtung Herisau:
  • Linie D (Herisau-Stadion-Abtwil) im 30-Minutentakt


Zentraler Bushof Der vom VCS geforderte, zentrale Bushof wird nun zwar nicht gebaut, weil er negative Auswirkungen auf den Verkehrsfluss hätte. Doch es konnte eine neue Lösung gefunden werden, die für das Stadion zu bauende Passerelle wird zum öV-Portal ausgebaut:

  • Die Passerelle wird gedeckt.
  • Auf beiden Seiten werden Rolltreppen und Lifte gebaut.
  • Die Bus-Haltestellen auf jeder Strassenseite neben der Passerelle können so – vor der Witterung geschützt – erreicht werden. Die Haltestellen selbst sind ebenfalls gedeckt.
  • Elektronische Anzeigetafeln informieren die Passagiere im Einkaufszentrum über die Abfahrtszeiten.
  • Ein Elektronisches Informationssystem informiert über Tür-zu-Tür-Fahrpläne.
  • Einkaufswagen können an den Haltestellen abgestellt werden.


Der Wortlaut der Vereinbarung und weitere Informationen sind ab 16.April im Internet unter www.vcs-sgap.ch abrufbar:.
Weitere Auskünfte: Doris Königer, dipl. Arch. ETH/SIA, Präsidentin Sektion VCS St.Gallen/Appenzell (079'450'26'42 oder 071'222'74'22)
Martin Stamm, Ing. HTL Vizepräsident Sektion VCS St.Gallen/Appenzell (071/394'65'19)
Peter Jans, Rechtsanwalt, Vertreter der Sektion VCS St. Gallen/Appenzell

* Artikel 69bis des Baugesetzes des Kantons St.Gallen: 1 Bauten und Anlagen, die sich wegen ihrer Grösse oder Bedeutung auf die Siedlungs-, Verkehrs- oder Versorgungsstruktur umliegender Gemeinden erheblich auswirken, insbesondere Einkaufszentren, Freizeit- und Erholungsanlagen, sind unzulässig, wenn sie:

  1. der Ortsplanung, den Regionalplänen oder dem kantonalen Richtplan widersprechen;
  2. die Siedlungsstruktur der Gemeinden erheblich nachteilig beeinflussen;
  3. die Versorgung in Siedlungsgebieten mit Gütern des täglichen Bedarfs erheblich gefährden;
  4. ein Verkehrsaufkommen zur Folge haben, dem die öffentlichen Strassen nicht genügen. 2 Sie sind nur aufgrund von Überbauungs- oder Gestaltungsplänen zulässig. Darin sind insbesondere Erschliessung, Grösse und Gestaltung von Bauten und Anlagen zu regeln. 3 Bauten und Anlagen von überörtlicher Bedeutung mit grossem Benützer- und Besucherkreis müssen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein. 4 Betroffenen Gemeinden stehen im Planauflage- und Baubewilligungsverfahren nach diesem Gesetz die Rechtsmittel zu.
 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.