Replik auf die Buchpublikation der Avenir-Suisse: "Umweltschutz auf Abwegen" – Wie Verbände ihr Beschwerderecht einsetzen"

 

Die Umweltverbände distanzieren sich in aller Form von den Vorwürfen der Avenir-Suisse. Die erwähnten Fälle sind teilweise in erschreckend unseriöser Weise recherchiert. Das Buch richtet sich in pauschaler Weise gegen die Umweltverbände, gegen den gesetzlichen Umweltschutz sowie die eidgenössischen und kantonalen Umweltbehörden und selbst das Bundesgericht wird an mehreren Orten mit harscher Kritik eingedeckt. Die Wirtschafts- und Bauunternehmen werden völlig kritiklos als die Opfer des staatlichen und privaten Umweltschutz dargestellt, als ob sie für die Umweltprobleme, den Klimawandel und das Artensterben keinerlei Verantwortung tragen würden.

Das Verbandsbeschwerderecht wird seit vielen Jahren von dem Umweltverbänden nachweislich überaus erfolgreich und zurückhaltend eingesetzt. Dies zeigte auch eine vom Buwal in Auftrag gegebene Studie von Genfer Rechtsprofessoren. Zahlreiche Staatsrechtsprofessoren der Schweiz haben zudem seit Jahren immer wieder die Notwendigkeit des Verbandsbeschwerderechtes für einen wirkungsvollen Vollzug der Umweltschutzgesetzgebung betont. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen - wurden seit 1990 von rechtsbürgerlichen Kreisen (früher von der Autopartei, heute namentlich von der SVP) immer wieder Vorstösse zur Abschaffung des Ver-bandsbeschwerderechtes eingereicht. Nun alimentiert die Suisse-Avenir als sogenannter "Think-Tank" der Wirtschaft, diese Umweltschutzgegner mit einem tendenziösen und einseitig recherchierten Parteigutachten. Die Umweltverbände stellen im Buch Rentsch zahlreiche Unzulänglichkeiten und Widersprüche fest, was die folgenden Beispiele aufzeigen: 1. Das Buch hinterlässt den Eindruck, als ob die Wirtschaftsunternehmen für die Umwelt nur Gutes getan hätten. Möchte Herr Rentsch damit die Wirtschaft von jeglicher Umweltverantwortung reinwaschen? 2. Es werden die hohen Erfolge der Einsprachen und Rekurse der Umweltverbände unter den Tisch gewischt. Diese sind aber ein Faktum, welches belegt, dass Baugesuche und Behördenentscheide oft leider nicht den gesetzlichen Umweltschutz beachten, und die Interventionen damit gerechtfertigt waren und sind. 3. Es wird nicht erwähnt, dass für die Verzögerungen zu einem grossen Teil auch die Baugesuchsteller verantwortlich sind, die häufig unzureichende Dossiers einreichen. 4. Herr Rentsch und die Avenir Suisse hielten es trotz mehrfacher Angebote durch die SL nicht für nötig, die Umweltverbände direkt zu konsultieren. Es ist deshalb wenig erstaunlich, dass die einzelnen Fallbeispiele teilweise unkorrekt dargestellt wurden. (Beispiel 1: Das Projekt Eurogate wurde bekanntlich aus wirtschaftlichen Rentabilitätsgründen fallengelassen. Dies wurde dem Buchautor offenbar auch von Seiten der Projektträgerschaft und der Behörden bestätigt. Dennoch versucht dieser dem VCS die Schuld anzulasten. Beispiel 2: Im Fall Skilift Pizol wurde mit keinem Wort erwähnt, dass dieses Projekt schutzwürdige Magerwiesen, Moorflächen und ein Schneehuhngebiet beeinträchtigte (was auch der Umweltbericht beanstandete), und die Bauherrschaft sich wenig kooperativ verhielt; Beispiel 3: Im Fall Schumacher/Wolfhalden wurde ebenfalls das wichtige "Detail" weggelassen, dass die SL die Gemeinde und Bauherrschaft zu dem "Runden Tisch" einlud und die Umweltverbände insgesamt 10 Alternativen vorlegten, die aber allesamt von der Bauherrschaft abgelehnt wurden). 5. Mit den Umweltverbänden werden gleichzeitig auch die Umweltbehörden von Bund und Kanton sowie die Umweltgesetze kritisiert: So wird die Stellungnahme des Bundesamtes für Raumentwicklung im Fall Schumacher als "ungehörige präventive behördliche Einmischung" dargestellt. Die Arbeit der politischen Behörden wird mit den Schlagworten "Umweltbürokratie" und "planwirtschaftliche Denkweisen" abgekanzelt. Rentsch hat offenbar auch Mühe, die höchstrichterliche Rechtsprechung zu akzeptieren (Vorwurf des nicht einzelfallgerechten Formalismus). 6. Die Vorwürfe sind zum Teil abstruser Natur. So hätten beispielsweise die Umweltverbände ein "verbandsinternes Demokratiedefizit", man müsse daher den Stiftungen gänzlich das Beschwerderecht entziehen und es fehlten Urabstimmungen vor Einsprachen (die Einsprachefristen betragen 10-30 Tage!). Gleichzeitig kritisiert Rentsch die heute häufigen Verhandlungslösungen zwischen Umweltverbänden, Bauherrschaft und Behörden. Er redet von "ausufernder Partizipation von Gruppeninteressen." Wo ist da sein Demokratieverständnis? 7. Nach Rentsch herrscht eine "mangelnde öffentliche Rechenschaftslegung über die Beschwerdetätigkeit". Hier zeigt es sich, dass Herr Rentsch trotz Einladung sich nie bei den Umweltverbänden informiert hat. Er hätte sonst festgestellt, dass diese seit Jahren in zahlreichen Publikationen, Dossiers und auf Internetseiten ihre Beschwerdebilanzen präsentieren. Praktisch jeder Verband hat heute öffentlich zugängliche Richtlinien für die Beschwerdetätigkeit. 8. Es gelang Herrn Rentsch bezeichnenderweise nicht, wie er schrieb, "durch eine Umfrage bei Mitgliedern des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) eine grössere Anzahl gut dokumentierter Fälle zu erhalten". Er spricht gar von einer "Art von Omertà". Tatsache ist vielmehr, dass die Verbandsbeschwerden wegen ihrer geringen Zahl (nur 1,4% der Rekurse vor Bundesgericht stammen von Umweltverbänden) im Gegensatz zu der grossen Zahl von Privatbeschwerden für die meisten Wirtschaftsunternehmen kaum je ein Problem darstellen. Fazit Hans Rentsch und die Avenir Suisse stellen das Verbandsbeschwerderecht, die Umweltpolitik insgesamt und die scheinbar mit den Umweltverbänden verfilzten Umweltbehörden sowie die Gerichte insgesamt als "Sand im Getriebe" (S. 187) dar. Man erhält den Eindruck, die Suisse Avenir sieht die Zukunft der Schweizer Wirtschaft nicht mehr in der Nachhaltigkeit (in der auch die Ökologie eine tragende Rolle spielt), sondern vielmehr in einem von Staat und Gesellschaft möglichst unbeeinflussten Wirkungsraum. Die Umweltverbände gelten dabei als "Störenfriede". Dies belegt, dass es Avenir Suisse – entgegen der Aussage in ihrer heutigen Pressemitteilung – eben doch um den Abtausch von mehr Wirtschaftsdynamik gegen weniger Ökologie geht. Glücklicherweise entspricht dieses Pamphlet gegen den Umweltschutz nicht der heutigen Realität, in der die sachbezogene Zusammenarbeit zwischen Umweltverbänden, Bauwilligen und Behörden immer bedeutender geworden ist und zu unzähligen guten Resultaten für alle Beteiligten geführt hat. Weitere Auskünfte: Kontaktperson SL: Raimund Rodewald 031 312 20 01 Kontaktperson SHS: Philipp Maurer: 01 254 57 00 Kontaktperson Pro Natura: Brigit Wyss: Tel. 061/317 92 41 Kontaktperson VCS: Adrian Schmid: 076 342 39 51 Kontaktperson WWF: Carsten Schmidt 076 393 30 60 Für weitere Unterlagen siehe auch www.verbandsbeschwerde.ch

 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.