Stellungnahme zu Artikel Weltwoche vom 25. März 2004: «Bis zum letzten Parkplatz»

 

Die Weltwoche greift in ihrer Ausgabe vom 25. März in den Konflikt zwischen einzelnen Sektionen des VCS (Verkehrsclub der Schweiz) und Bauherren von Shoppingcentern ein. Die Weltwoche tut dies einseitig und stellt sich vollständig auf die Seite der wirtschaftlichen Interessen. Der unsachliche Artikel ist als Provokation gegen einen effizienten Umwelt- und Naturschutz zu verstehen

Konflikte zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Gesundheit der Menschen sowie dem Schutz von Natur und Umwelt sind unvermeidbar. Exakt zur Regelung dieses "naturgemässen" Spannungsfelds dient die Umwelt- und Naturschutzgesetzgebung. Diese Gesetze sichern eine intakte Umwelt (Luft, Wasser, Boden) sowie eine lebenswerte Schweiz. Sie lassen genügend Spielraum für eine wirtschaftliche Entwicklung. Die sorgfältige Überprüfung von Bauprojekten wie ist daher im Interesse aller Beteiligten. Sie ist auch im Interesse der Standortattraktivität der Schweiz für Investoren. Das in Umwelt- und Naturschutzgesetz verankerte Beschwerderecht von Umweltorganisationen legitimiert diese Organisationen, die Überprüfung von Projekten mit dem geltenden Recht einzufordern. Nicht mehr und nicht weniger. Zurzeit ist eine grosse Anzahl neuer, publikumsintensiver Einkaufszentren, Freizeitparks oder Fachmärkte geplant oder sie befinden sich bereits im Bau. Solche für Schweizer Verhältnisse sehr grosse Bauvorhaben erfordern eine sorgfältige Planung. Der Artikel der Weltwoche ist einseitig,

  • weil die Umweltorganisationen in keiner Art und Weise nachhaltiges Wachstum der Schweizer Wirtschaft verhindern wollen. Wachstum ist mit der bestehenden Gesetzgebung möglich. Das Beschwerderecht gibt den Verbänden lediglich die Möglichkeit, die Einhaltung der Gesetze zu überprüfen. Der Vorwurf der "grünen Mafia" ist daher eher peinlich.
  • weil die wirklichen Ursachen von Verzögerungen von Bauprojekten verschwiegen werden. So sind Einsprachen von Nachbarn, Einsprachen von Interessensgruppen aus dem Kleingewerbe, sowie aufwändige Bewilligungsverfahren wesentlich häufiger für Bauverzögerungen verantwortlich.
  • weil die Folgen von grossen Shoppingcentern für Umwelt und Verkehrsaufkommen ausgeklammert werden.
  • weil die wirtschaftlichen Konsequenzen von Einsprachen aus dem Zusammenhang gerissen und übertrieben dargestellt werden. So bleibt unerwähnt, dass riesige neue Einkaufsflächen in der Regel einfach andere Einkaufspunkte verdrängen und Arbeitsplätze grösstenteils "verschoben" und nicht nur, wie von der Weltwoche behauptet, "neu geschaffen" werden.



Die beschwerdeberechtigten Umweltorganisationen sind u.a. mit der Migros im Gespräch. Sie haben sehr viel in die Qualität ihrer Arbeit investiert. Diese sorgfältige Handhabung des Beschwerderechts wird ihnen auch von unabhängiger Seite attestiert. Es überrascht daher, dass die Weltwoche diese Quellen nicht erwähnt, dafür umso ausführlicher aus der Kampfschrift der Avenir Suisse zitiert.

Das Parlament hat sich bereits in der neuen Zusammensetzung im Dezember 2003 klar und deutlich hinter das Beschwerderecht gestellt und die Abschaffung abgelehnt (Ablehnung der Parlamentarischen Initiative Freund). Die erneute Diskussion erachten die Umweltorganisationen grösstenteils als Stellvertreterdiskussionen. Trotzdem sind die Verbände bereit, Konflikte bei einzelnen Projekten, unterschiedliche Interpretationen des bestehenden Rechts in den verschiedenen Kantonen und Sektionen zu diskutieren. Sie tun dies bereits – den Weltwocheartikel hätte es dazu nicht gebraucht.


Bern/Chur, C. Dietler, 25. März 04

 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.