Eindrückliche Liste von 84 offenen Umwelt-Baustellen

 

Nach über zwei Jahren Debatte legt die Rechtskommission des Nationalrates einen Vorschlag zur Beschränkung des Beschwerderechts der Umweltorganisationen auf den Tisch. Eine Allianz von 16 Organisationen von A wie Alpenclub bis W wie WWF mit 956’000 Mitgliedern fordert den Nationalrat auf, jetzt die Linie nicht mehr zu verlassen. Weitere Einschränkungen zu Lasten der Natur wären nicht akzeptierbar. Die überlaute Kritik am Beschwerderecht übertönt die Mängel in der (Raum-)Planung und beim Schutz der schönsten Schweizer Landschaften . Aktuell sind 84 Baustellen im Umweltrecht auszumachen. Es ist höchste Zeit, dass der Nationalrat die Debatte um das Beschwerderecht abschliesst und sich Parlament und Behörden auf die wirklichen Probleme konzentrieren.

Die Schweiz verfügt im Umweltrecht über gute gesetzliche Grundlagen. Die Mängel liegen hauptsächlich beim Vollzug. Ein Beispiel dazu: Der Bund schreibt den Kantonen vor, mit «Massnahmenplänen» die Verschmutzung der Atemluft auf ein gesundheitlich unbedenkliches Mass zu reduzieren. Noch zu viele kantonale Luftreinhaltepläne sehen keine wirksamen Massnahmen zur Begrenzung der Luftschadstoffe durch den motorisierten Verkehr vor. Dies führt zu Konflikten, da mit ungleichen Ellen gemessen wird. „Der VCS und Investoren von verkehrsintensiven Einrichtungen sitzen im gleichen Boot und wünschen sich mehr Klarheit und Verbindlichkeit“, betont Eva von Ballmoos, Juristische Mitarbeitern des VCS. Über 80 Umwelt-Baustellen warten auf motivierte Bauequipen Der Vollzugsnotstand und die mangelhafte Koordination von Umweltrecht und Raumplanung sind zwei Tätigkeitsfelder, welche durch die oft unqualifizierte Kritik am Beschwerderecht zu wenig Beachtung finden. Die Umweltorganisationen haben 84 solcher Umwelt-Baustellen ausfindig machen lassen. Der laute Streit um das Beschwerderecht lenkt also von der Tatsache ab, dass beim Umweltschutz Handlungsbedarf besteht. So beim löcherigen Schutz der schönsten Schweizer Landschaften. Die Schweiz kennt zwar ein Bundesinventar der schönsten Landschaften (BLN). Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz: „Auf die Ikonen der Schweizer Landschaften muss nur der Bund Rücksicht nehmen. Die Kantone jedoch verfügen in diesen Landschaften beim Ausscheiden von Bauzonen für Zweitwohnungen über weitgehende Freiheiten.“ Schweizer/innen an Umweltentscheiden beteiligen Die Schweiz räumt ihrer Bevölkerung viele Beteiligungsrechte ein – warum nicht auch im Umweltschutz? Diese Frage drängt sich auf, weil der Bundesrat aus politisch-taktischen Gründen zögert, die Aarhus-Konvention dem Parlament vorzulegen. Ein von der Rechtskommission des Nationalrates in Auftrag gegebener, noch unveröffentlichter Bericht bestätigt klipp und klar: Die Ratifizierung der Aarhus-Konvention hätte für das geltende Recht keine Auswirkungen. Die laufende Revision der Gesetzesgrundlagen (parlamentarische Initiative Hofmann) wäre nicht betroffen. Die Aarhus-Konvention verlangt zudem keine Verleihung des ideellen Verbandsbeschwerderechtes für ausländische Umweltorganisationen. Das Komitee der am 11. Mai vom Zürcher Freisinn eingereichten Initiative kann also aufatmen: Sämtliche Argumente, die Aarhus-Konvention schwäche die Schweizer Wirtschaft, sind hinfällig. Ein weiteres Argument, die überdrehte „Initiative gegen die Natur“ nicht zur Abstimmung zu bringen? Debatte zum Beschwerderecht aktuell: Haltung der Umweltorganisationen Am 21. Juni 2006 ist die parlamentarische Initiative Hofmann im Nationalrat traktandiert. Diese Initiative will Umweltverträglichkeitsprüfung und Verbandsbeschwerderecht „verwesentlichen“. Die Rechtskommission des Ständerates hat das Geschäft seit Februar 2004 unter dem Präsidium von Rolf Schweiger (FDP) intensiv vorbereitet. Sie hat dabei u.a. die Stossrichtung der Initiative des Zürcher Freisinns abgelehnt: Das Verbandsbeschwerderecht soll auch nach Beschlüssen von Parlamenten oder Gemeindeversammlungen weiterhin möglich sein. Der Ständerat stimmte dann leider am 6. und 7. Oktober 2005 einigen von Carlo Schmid kurzfristig eingereichten, wenig durchdachten Änderungen zu. Vorschlag der Rechtskommission Nationalrat Der Vorschlag der Rechtskommission korrigiert einige durch Carlo Schmid herbeigeführte Entscheide, enthält aber immer noch substantielle Schwächungen des Beschwerderechts. Die Einsprachemöglichkeiten werden eingeschränkt. Organisationen müssen mit der Auferlegung von Verfahrenskosten rechnen, obwohl sie die Rechtsmittel zur Durchsetzung des Natur- und Umweltschutzes stellvertretend für die Natur und keinesfalls aus Eigeninteresse ergreifen. Weiter sieht die Rechtskommission vor, Verhandlungen oder Gespräche zwischen Gesuchstellern und Umweltorganisationen zu erschweren. Die Umweltorganisationen halten diese Behinderungen für unnötig, müssen sie jedoch angesichts der politischen Realitäten akzeptieren. Nicht akzeptierbar wäre ein Abweichen von der Linie der Rechtskommission. Die Umweltorganisationen fordern daher die Ablehnung sämtlicher Minderheitsanträge, welche das Beschwerderecht unsachgemäss weiter schwächen wollen. Weitere Auskünfte: Raimund Rodewald, Stiftung für Landschaftsschutz, 079 406 40 47; Philipp Maurer, Heimatschutz, 044 254 57 00; Carsten Schmidt, WWF, 076 393 30 60; Beat Jans, Pro Natura, 076 346 86 43; Adrian Schmid, VCS, 076 342 39 51; François Turrian, ASPO/BirdLife-Suisse, 079 318 77 75; Christof Dietler, Koordination Verbandsbeschwerderecht, 079 777 78 37.

 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.