© Neue Zürcher Zeitung; 30.06.2008; Ausgabe-Nr. 150; Seite 7
Inland Text

Nicht zielführend

Volksinitiativen, die dem Schoss einer Partei entspringen, haben zwei Funktionen. Zum einen sollen sie einem Parteianliegen zum Durchbruch verhelfen, und zum anderen sollen sie dazu dienen, der Partei ein Profil zu verleihen oder dieses zu stärken. Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob die Partei mit ihrer Initiative Erfolg hat oder nicht. Hauptsache, sie ist mit einem Thema präsent. Aus diesen beiden Blickwinkeln kann auch die Initiative zur Einschränkung der Verbandsbeschwerde der FDP betrachtet werden. Unterstützt wird sie neben der FDP von der SVP. SP und CVP haben sich am Samstag klar gegen sie ausgesprochen, auch die Grünen und die Grünliberalen lehnen sie ab.
Zunächst zum Anliegen: Wenn es den Initianten rund um die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala darum geht, der Zürcher Sektion des VCS im Zusammenhang mit den Bauverzögerungen beim Zürcher Hardturmstadion eins auszuwischen, dann haben sie ihr Ziel erreicht. Sie haben es auch geschafft, den Druck im Bundesparlament hoch zu halten, und damit nicht unerheblich zu einer bedeutenden Revision des Verbandsbeschwerderechts beigetragen. Seit einem Jahr ist das neue Recht in Kraft. Vieles von dem, was die Initianten durchaus zu Recht anprangern, wurde bereits in ihrem Sinne verbessert. Es ist daher nachvollziehbar, dass sich verschiedene - auch bürgerlich geprägte - Umweltverbände, die diese Revision zähneknirschend mitgetragen haben, darüber ärgern, dass sie mit der FDP-Initiative für das Verhalten des VCS Zürich weiter abgestraft werden sollen.
Oftmals heben die Initianten die mangelnde Kohärenz im Umwelt- und im Raumplanungsrecht sowie die langwierigen Bauverfahren hervor. Doch in beiden Belangen ist ihre Initiative nicht zielführend. Das haben etwa die Grossverteiler und Schweiz Tourismus erkannt; sie unterstützen das Volksbegehren nicht. Sie setzen vielmehr auf weitere Reformen in der Umwelt- und Raumplanungsgesetzgebung, die teilweise bereits im Gange sind. Wer also hofft, mit der Initiative werde die Frage der leidigen Parkplatz-Zählerei bei Einkaufszentren gelöst, muss sich enttäuscht sehen. Die Initiative hält in diesem Sinne nicht, was sie verspricht. Sie beschränkt aber ein Rechtsmittel massiv, das sich in den vergangenen 40 Jahren im Grossen und Ganzen bewährt hat. Daher sollte man mit dem revidierten Verbandsbeschwerderecht Erfahrungen sammeln und das materielle Umweltrecht revidieren, bevor man sich allfällige weitergehende Schritte überlegt.
Und wie steht es mit der Profilierung der Partei? Der FDP wird die Initiative durchaus ein Gesicht verleihen. Ob es in Zeiten, in denen der Umweltpolitik wieder mehr Aufmerksamkeit zukommt, eines ist, das ihr gut ansteht, ist mehr als fraglich. Daran vermag auch die Lancierung einer parteiinternen «Task-Force Umwelt» wenig zu ändern. Zudem spricht die Tatsache, dass sich ein Drittel der Parteidelegierten (inklusive anerkannter Parteiexponenten) gegen die Initiative ausgesprochen haben, nicht für eine wohldurchdachte Strategie der Profilierung.

 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.