Fakten sprechen für Verbandsbeschwerderecht (Organisationen zu Interpellation SVP – im Nationalrat am 6. Oktober 04)

 

Die Umwelt- und Naturschutzverbände stehen den Diskussionen rund um das Verbandsbeschwerderecht offen gegenüber. Sie haben der Rechtskommission des Ständerates ihre Vorschläge zur Präzisierung des Verbandsbeschwerderechts bereits vor Monaten überreicht. Vorwürfe der Bestechlichkeit und der systematischen Verhinderung/Verzögerung von Bauvorhaben sind nicht haltbar. Die wahren Probleme sind nicht das Verbandsbeschwerderecht, sondern die mangelnde Koordination von Umweltrecht und Raumplanung beim Bund, das „laissez-faire“ einzelner Behörden sowie das Fehlen von Verfahrensfristen für Behörden und Gerichte. Die Umweltverbände fordern daher, dass das Baurecht vereinheitlicht wird, dass der Bund planerisch aktiver wird, und dass Behandlungsfristen für Behörden und Gerichte eingeführt werden.

Die Emotionen rund um das Fussballstadium Zürich und Ikea Spreitenbach gingen hoch. Dies ist verständlich. Trotzdem ist es an der Zeit, wieder von den Fakten zu sprechen. Das Verbandsbeschwerderecht (VBR) hat sich in den letzten 40 Jahren als wichtiges Vollzugsmittel bewährt. Schwachstellen und Verbesserungen im Management der Organisationen können diskutiert werden.

Fakten zum 25 Milliarden-Blockade-Irrtum
Gemäss Angaben des Bundesamtes für Statistik hat die Zahl der geplanten Bauten im Ver-hältnis zu den tatsächlich ausgeführten Vorhaben in den letzten Jahren deutlich abgenom-men. 2003 betrug die Differenz 0,7 Mia. Franken oder 1,6 %. Daher entbehrt die Aussage, dass in der Schweiz Projekte im Gesamtvolumen von 25 Mia. Franken durch Verbandsbeschwerden blockiert sind, jeglicher fachlichen Grundlage. Die Zahl ist auf eine falsch wieder-gegebene Aussage von Franz Jäger zurückzuführen. Franz Jäger verfügt über keinerlei Studien, die den Einfluss von Verbandsbeschwerden auf Investitionen untersuchen.

Fakten zu Verzögerungen
Unbestritten ist, dass durch Einsprachen von Umweltorganisationen Bauverzögerungen entstehen können. Das VBR bewirkt aber lediglich, dass Projekte auf ihre Rechtmässigkeit überprüft werden. Die wirklichen Gründe für Verzögerungen sind komplex. Fehlende Fristen für Gerichte und Behörden, komplizierte Verfahren, unterschiedliche Baugesetze, ungenügende Bauunterlagen und überforderte Behörden sind mögliche Ursachen. Auch die Umweltverbände finden dies stossend. Sie verlangen kürzere und einfachere Verfahren.
Das im Zusammenhang mit dem VBR übliche Spiel mit dem schwarzen Peter in Richtung Umweltverbände ist weder sachgerecht noch zutreffend. Wieso ist nicht bekannt, dass der VCS auch im Fall Ikea nicht der einzige Einsprecher ist?

Fakten zum Geld
Die Verbände nehmen keinerlei Pauschalzahlungen für das Nichteinreichen oder den Rückzug von Rechtsmitteln an. Um in der Vergangenheit entstandene Missverständnisse und ungenügende Kommunikation gänzlich zu vermeiden, haben sich sämtliche Verbände über die Verhandlungsempfehlungen des UVEK hinausgehende Richtlinien gegeben. Unkosten können demzufolge nur überwälzt werden, wenn dies zu Beginn der Verhandlungen so abgemacht wurde, die Zahlen vollständig offen gelegt werden und das Geld nur für externe Experten oder Anwälte bestimmt ist. Die Verbände haben ihre Anpassungen der internen Reglemente am 17. August 2004 den Medien vorgestellt.

Fakten zur Gesprächsbereitschaft der Verbände
Die Verbände tragen folgende Vorschläge zur Präzisierung des VBR mit:

  • Rechenschaftsbericht (vollständige Transparenz);
  • Beschränkung des Rügebereichs auf in Statuten seit 10 Jahren festgelegte Tätigkeit;
  • strikter Ausschluss von jeglichen Pauschalzahlungen;
  • Verankerung der ideellen Tätigkeit als Voraussetzung für Beschwerdeberechtigung;
  • Notwendigkeit des Erlasses interner Reglemente mit klaren Zuständigkeiten
  • Zulassen eines vorzeitigen Baubeginns von Projektteilen, die vom Ausgang des Verfahren nicht betroffen sind.

Darüber hinaus regen die Verbände exemplarisch an:
- Einführung von Behandlungsfristen für Behörden und Gerichte;
- Einführung Beschwerderecht auf Stufe Raumplanung;
- Einführung eines Bundesbaurechts (hilft allen Bauwilligen!);
- Verbesserte Koordination von Raumplanung und Umweltrecht.

Fazit:
Unter Berücksichtigung der Fakten und mit wenigen Präzisierungen muss am Verbandsbeschwerderecht als international verankertes Recht festgehalten werden.

Kontakt: Beat Jans, Pro Natura, 061 317 92 22; Raimund Rodewald, SL, 031 312 20 01; David Häne, WWF, 01 297 22 41; François Turrian, BirdLife, 079 318 77 75; Philipp Maurer, Heimatschutz, 01 254 57 00

Position der Umweltverbände auf den Punkt gebracht

 

Das Verbandsbeschwerderecht ist nötig und effizient – jetzt müssen Planung und Vollzug in Bund und Kantonen gestärkt werden.

Wir halten fest: • Die Schweiz wird rasch, unkoordiniert und breiartig verbaut. Jede Sekunde wird ein Quadratmeter Kulturland in Siedlungsfläche umgewandelt. Von 1972 bis 1997 wurde eine Bodenfläche in der Grösse des Kantons Schaffhausen verbaut. Jährlich wird für rund 44 Mia. Franken weitergebaut. • Bei Stickoxiden, lungengängigem Feinstaub und Ozon werden in der Schweiz die Grenzwerte überschritten. Die Mitverantwortung der so genannten Publikums-intensiven Einrichtungen (wie z.B. Einkaufszentren) an dieser Entwicklung wächst. • Ein Baustau ist in der Schweiz objektiv gesehen nicht auszumachen. • Die Gründe für Verzögerungen von Bauten sind komplex und vielfältig. Fehlende Fristen bei Behörden und Gerichten, komplizierte Verfahren, ungenügende Unterlagen, überforderte Behörden etc. sind mögliche Ursachen für Verzögerungen. Das Verbandsbeschwerderecht (VBR) spielt über die ganze Schweiz gesehen eine höchst marginale Rolle. • Mit entsprechender Koordination auf Planungsebene ist in der Schweiz grosses Bauen unter Einhaltung von Luftreinhalteverordnung und Raumplanungsziele sehr wohl möglich. Wir stellen klar: • Nicht das VBR ist das Problem – die wahren Probleme sind insbesondere die mangelnde Koordination von Umweltrecht und Raumplanung beim Bund sowie schleppende Verfahren bei Behörden und Gerichten. • Die Verbände nehmen keine Zahlungen für das Nichtergreifen bzw. den Rückzug eines Rechtsmittels entgegen. • Das Verbandsbeschwerderecht braucht keine Einschränkung. Das Verbandsbeschwerderecht ist effektiv, effizient und ein wichtiges Mittel zum Interessensausgleich. • Auf die Diskussion von präzisierten Anforderungen für die Handhabung des VBR gehen die Verbände gerne ein. Weitere Informationen: «Fakten sprechen für Verbandsbeschwerderecht», Mitteilung vom 28.9./6.10.2004

 

Aqua Viva, Archäologie Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Alpen-Initiative, Equiterre, Greenpeace, Greina-Stiftung, Helvetia Nostra/Fondation Franz Weber, Mountain Wilderness, Naturfreunde Schweiz, Praktischer Umweltschutz Schweiz, Pro Natura, Rheinaubund, SAC-Schweizer Alpenclub, Schweizerische Energie-Stiftung, Schweizerischer Fischerei-Verband, Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung, Schweizer Heimatschutz, Schweizer Wanderwege SAW, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, SVS/BirdLife Schweiz, VCS Schweiz, WWF.